Diese Begebenheit trug sich sechs Jahre vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges zu, als hier noch das lutherische Bekenntnis vorherrschte. Zwischen den Höltinghausern und Cloppenburgern schwelte seit Jahren ein Grenzstreit wegen des Vieheintriebes und anderer Rechte in der Mark. Höltinghausen gehörte zum Kirchspiel Emstek, dieses wiederum zum Amt Vechta, und Vechta war weit.
Otto Schade, Drost und Johannes Bispingk, Rentmeister zu Vechta, berichten in einem Schreiben vom 5. Januar 1612, dessen Original sich im Heimatmuseum Cloppenburg befindet, an die städtischen Behörden: Bei Cloppenburg trete eine bedenkliche Gärung unter der Bevölkerung hervor. In Emstek habe sich aus Auflehnung gegen den Vechtaer Vogt eine blutige Schlägerei entwickelt, so dass der Vogt mit seiner Polizei flüchten musste. Die Bewegung habe nach Höltinghausen und Garthe übergegriffen. Die Friedensbrecher müssten bestraft werden.
Diesem Bericht lagen folgende Ereignisse zugrunde:
In Emstek fand der Margarethenmarkt statt, eine damals von weit und breit besuchte Sommerkirmes. Hier kam es zu einem schweren Zusammenstoß der Vechtaer Soldaten mit Bürgern und Soldaten aus Cloppenburg, der seine Ursache im schon erwähnten Markenstreit hatte. Die Höltinghauser beanspruchten in der Mark zwischen Cloppenburg und Höltinghausen das Recht der Viehtrift, des Torf- und Plaggen Stechens. Sie trieben ihr Vieh dorthin, wo das Cloppenburger Vieh bereits weidete, stachen den Torf und die Plaggen dort, wo die Cloppenburger Anspruch darauf erhoben, deren Rechte verbrieft waren. Das versetzte die Cloppenburger derart in Wut, dass sie eines Sonntags mit Stöcken bewaffnet in Höltinghauser Gebiet vordrangen. Da dies zur Zeit des Gottesdienstes geschah, fanden sie nur Kinder und einen älteren Hirten vor, denen gegenüber sie ihre Rechte geltend machten. Als der Hirt sich widersetzte, banden sie seine Hände und verprügelten ihn schwer. Das auf dem von ihnen beanspruchten Gebiet weidende Höltinghauser Vieh nahmen sie als Pfand mit nach Cloppenburg und gaben es erst wieder heraus, nachdem die Höltinghauser als Ausgleich für den von ihnen verursachten Schaden ein Lösegeld gezahlt hatten.
So entstand eine erbitterte Feindschaft, zumal Bürgermeister und Rat der Stadt Cloppenburg die Gewalttat ihrer Bürger billigten und dem Anführer
Hinrich Helmerich für sein tapferes Verhalten bei der Verteidigung alter Cloppenburger Rechte gegen die Höltinghauser Übergriffe ein besonderes Lob aussprachen. Helmerich freute sich über den gelungenen Streich aus mehreren Gründen: Zum einen hatte er den mit ihm befreundeten Gebrüdern Kappelmann, die mit einigen Höltinghausern verfeindet waren, einen Gefallen getan. Zum anderen hatte er die Höltinghauser gedemütigt, besonders Gerd Budde, der sein Rivale bei der stattlichen Anna war, der Tochter des Wirtes Hans Hagedorn in Emstek. Helmerich wachte eifersüchtig über die schöne Anna und geriet in Wut, wenn sie in der Wirtschaft auch zu anderen Männern freundlich war. Da er sich alleine den Emstekern und Höltinghausern nicht gewachsen fühlte, nahm er zum Besuch des Margarethenmarktes 30 Soldaten und etliche andere Cloppenburger Bürger mit. Sie sollten auf ihre Kosten kommen, wenn auch er auf der Kirmes sein Vergnügen habe, das hatte er ihnen versprochen. Als er am Markttage morgens in Emstek eintraf, waren die Gebrüder Kappelmann bereits dort, um ihrem Viehhandel nachzugehen. Auf dem Marktplatz hatte sich schon eine große Menschenmenge eingefunden. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung hatte der Vechtaer Drost den Untervogt mit Fußknechten nach Emstek geschickt. Diese erfuhren bald, welche Cloppenburger sich bei der Entführung des Höltinghauser Viehs am rohesten aufgeführt hatten. Genannt wurden vor allem Hinrich Helmerich, die Gebrüder Kappelmann, der kleine Wilhelm und der finstere Bernd von Essen. Der verprügelte Hirt Tebben Hinrich zeigte den Vechtaern als Hauptmissetäter den in der Menschmenge stehenden Hinrich Kappelmann, der daraufhin verhaftet und zur Arretierung unter höhnischem Gelächter der Emsteker und Höltinghauser in den Hagedornschen Krug geleitet wurde. Der Emsteker Kirchspielvogt sah keinen Anlass zum Einschreiten. Auf dem Platz gab es einen riesigen Auflauf, die Menge folgte dem Zug zum Hagedornschen Krug. Als die Vechtaer dort mit ihrem Gefangenen eintrafen, saß in der Gaststube bereits der Cloppenburger Anführer Hinrich Helmerich mit seiner Begleitmannschaft. Der Bruder des Verhafteten, Ludwig Kappelmann, war ebenfalls anwesend. Als diese sahen, welcher Häftling gebracht wurde, sprangen sie auf und umringten die Vechtaer mit ihrem Gefangenen. Es ergab sich ein heftiger Wortwechsel, bei welchem den Vechtaern vorgeworfen wurde, einen Cloppenburger Bürger willkürlich verhaftet zu haben.
Unter dem Protest der Vechtaer wurde der Verhaftete befreit. Die Cloppenburger unterstrichen ihren Anspruch durch Anfeuerung dreier Warnschüsse, worauf der Widerstand erlahmte. Erschrocken schrie die Wirtstochter auf, während ihr Vater gerade mit einem Arm voller Bierkrüge in der Gaststube erschien. Sie sah, dass Tebben Hinrich und Budden Gerd von den Cloppenburgern hart bedrängt wurden. Darauf fuhr sie einen prahlerischen Soldaten barsch an und verbat sich das Lärmen mit dem Bemerken, wer hier nicht Ruhe halten könne, solle sehen, dass er hinaus käme. Der Soldat geriet in Wut, ergriff einen Zinnkrug und holte zum Schlag aus. Er traf Annas auf dem Tisch liegende Hand, wobei der Daumen halb abgeschlagen wurde. Hinrich Helmerich befahl, Wasser und Verbandszeug zu holen, während das Mädchen ihre blutüberströmte Hand hochhielt. Gerd Budde kümmerte sich nicht um sie, sondern verließ das Lokal Draußen entbrannte zwischen den Höltinghausern, Emstekern und Vechtaern einerseits und den Cloppenburgern andererseits der Streit von neuem. Dem Tebben Hinrich wurde dabei vom kleinen Wilhelm die Hand zerschlagen. Während der Verletzte schreiend flüchtete, hetzte sein Peiniger hinter ihm her. Ein anderer Cloppenburger Soldat verfolgte den Knecht des Nienebruch aus Garthe, der geäußert hatte, die Cloppenburger würden ihre Strafe auch noch bekommen. Der Soldat erreichte ihn bei Pastors Speicher, schlug ihn mit dem Gewehr zu Boden und ließ ihn bewusstlos liegen. Der Emsteker Kirchspielvogt wäre beinahe getötet worden, als ein Soldat vor dem Hagedornschen Krug auf ihn schoss, aber nicht traf, weil der hinzuspringende Sohn des Pastors im letzten Augenblick das Gewehr zur Seite schlug. Der Vogt bewahrte Haltung und ging ruhig in die Gaststube, wo er eine Cloppenburger Übermacht vorfand. Helmerich setzte einem Vechtaer Fußknecht die Pistole auf die Brust und drohte, ihn zu erschießen, während der Bruder Ludwig des befreiten Hinrich Kappelmann dem Fußknecht mit einem Stock Kopf, Seiten und Lenden blutig schlug. Den Vechtaern wurde schließlich so zugesetzt, dass sie ihr Heil in der Flucht suchten.
Aus der Bestrafung der schuldigen Cloppenburger, die der Vechtaer Drost Otto Schade und der Rentmeister Bispingk mit ihrem Schreiben vom 5. Januar 1612 gefordert hatten, wurde nichts. Vielmehr wurde den Cloppenburgern noch eine Belobigung ausgesprochen. Auch eine schriftliche Anmahnung der Bestrafung vom 9. Juni 1612 beim Cloppenburger Drost Wilke Steding blieb erfolglos.
Bericht aus der Emsteker Chronik.